Die ganze Milde des Gesetzes

Brandstiftung, schwere Körperverletzung, Sprengstoffanschläge – die rechte Gewalt in Deutschland explodiert. Doch die Täter werden nur selten bestraft. Wie selten, das können Polizei, Justiz und Ministerien angeblich nicht feststellen.

Die Behörden haben kein falsches Lagebild über die Bedrohung durch rechte Gewalttäter. Sie haben gar kein Lagebild.

Nur jede vierte Gewalttat gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte wird derzeit von deutschen Strafverfolgungsbehörden aufgeklärt. Wie ermittelte Täter schließlich verurteilt werden, ist aber selbst dem Bundesjustizministerium nicht bekannt, denn es führt keine Statistik über den Ausgang von Verfahren wegen fremdenfeindlicher Straftaten. Zusammen mit der Amadeu Antonio Stiftung hat der stern deshalb die schwersten Fälle aus den Jahren 2013 und 2014 untersucht, in denen Flüchtlinge oder ihre Heime angegriffen wurden – für die Fälle von 2015 gibt es in der Regel noch keine Verhandlungstermine.

Ausgewertet wurden sämtliche Körperverletzungen, Brandstiftungen und Sprengstoffanschläge: insgesamt 87 Übergriffe. Kriminologen und Ermittler wissen, dass solche Angriffe fast immer von mehreren Tätern begangen werden – im Durchschnitt sind sie zu dritt.

Bei den 87 Fällen muss also von rund 260 Tätern ausgegangen werden. Von den 260 Tätern konnten laut stern 43 ermittelt werden. Davon wurden 17 verurteilt, vor allem zu Bewährungs- oder Geldstrafen sowie Arbeitsauflagen. In Haft kamen davon insgesamt nur sechs. Das entspricht zwei Prozent.

Von 87 Fällen wurden 41 ohne Ergebnis eingestellt. 17 Fälle sind nicht abgeschlossen, weil noch nach den Tätern gesucht wird. In 15 Fällen können die zuständigen Staatsanwaltschaften keine Auskunft geben – meist, weil die Akten unauffindbar sind. In 14 Fällen kam es zu Verurteilungen.  Dass es gerade in diesem Kriminalitätsbereich Handlungsbedarf gibt,  räumt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gegenüber dem stern ein: “Die statistische Erfassung politisch motivierter Straftaten muss besser werden.”

Mitarbeit: Marius Münstermann. Der ganze Artikel von Walter Wüllenweber erschien im stern Nr. 17/2016